Facebook der Hydra

Die Reden von der Flut der Bilder lassen das ertrunkene Wort zurück, überschwemmen das Ausmaß der Sprachlosigkeit, deren Ausdruck sie sind: bunte Zeugen verstummten Einspruchs, Frucht unerhörter Widerreden, immunisiert durch das verständige Neutralisieren von Klagen. Nur am Sachlichen orientiert entzündeten sich flammende Reden gegens Rhetorische, um das Wort zu verdinglichen, zu verbannen den Fluch, die magische Handlung als letzte Form des Widerspruchs. Im aufgeklärten Licht von Sittengesetzen verbannte man den Fluch, das Schimpfen als ungehörig: das darf man doch nicht. Und doch, wer kann es übel nehmen, das Übel ein Übel zu nennen, zu üben den Fluch?! Beredsam waren immer die anderen, die Macht des Erklärens, allen voran die Gründe fürs eigene Scheitern im Namen von Natur und Differenz. In der Erzählung das mystische Schicksal abzuwenden, um es als Selbstverschulden zu revitalisieren, hatten sich nur die Namen geändert, nicht die Rollen. Wer kann es dann verdenken, das Denken selbst in Verdacht zu ziehen, zu zweifeln an jeglicher Explikation?! Explizit zog man Begriffe an den Pranger, zu geißeln den Rumor von Sinn, die Worte zu häuten, die Organe blanken Versprechens zu sehen. Kritik, die vorgab Differenzen zu bergen, verschleppte nur den Müll differenzierter Kontrollmechanismen in die tiefen Gruben der Hoffnungslosigkeit, akademisch gewendet zur Archäologie der Verzweiflung. Selbst erstaunt ob der neuen Haiden, die dem Wort nicht mehr glauben wollten, nichts mehr hatten, zu wenig schon, um zumindest den Glauben zu schenken, zog sich Kritik beleidigt in Sprachkritik zurück, zumindest jene, die sich den Masochismus sprachlich leisten konnten, den Fetisch aus begrifflichem Leder, explizites Sympathisieren mit Sprachlosigkeit um der Sprache willen. Wir zerbrechen den Sinn, warum wehrt Ihr Euch nicht, stimmt mit ein ins avantgardistische Gedicht?! Links das Pathos der Dystopie, rechts das der Rechtschaffenheit, galt es sich abzufinden mit dem Außerhalb, den Bildern, die innerhalb des Rahmens gezeichnet wurden. Die Flut der Bilder, schon Not am Simulakrum, verbannte die Reden ins Reich der Ökonomie: Außerhalb war’s ruhig geworden, um dem Tausch der Bilder und Rahmen zuzuschauen, mit aller Kraft nochmals ein Bild vom Selbstbild zu machen, um es in die Runde zu hauen. Millionenfache Chimäre der Partizipation, das Facebook der Hydra. Im Schutz des Stereotypen schlängeln ihre Zungen zwiespältig, akkumulieren die blanke Quantität, die als Qualität liebäugelt, flirtet mit dem Verschwinden in der Menge. Was vom Wort bleibt, wird algorithmisch gegoogelt, von Suchmaschinen erfunden, um den Analphabetismus zu füttern, zu digitalisieren das binäre Wort. Wer schreibt den ersten Roman mit emoticons, die erste Dissertation, Enzyklopädie des Ungehörten, die erste Übersetzung von Rimbaud in die Akronyme von SMS, ein LOL der Geschlechter? Die Bilderflut flutet nur die Sprache, das Schweigen, das sie expliziert. Kritik an der Bilderflut allein greift zu kurz, wenn sie nicht dazu sagt, das diese darauf abzielt, die letzten Reden zu ertränken, den Versprechungen Rahmen zu setzen. Ertrunken in der Flut kann sich das Wort nur amphibisch zurück melden, mit Flossen an Land kriechen, zufällig wie das Aleatorische eines Alligators und hungrig nach mehr.